Richterin verurteilt brutale Gewalt
Amtsgericht: Für einen Überfall auf ein Wohnhaus in Herlinghausen erhielten fünf junge Angeklagte
Jugendstrafen von zusammengerechnet sechs Jahren und acht Monaten
VON HUBERT RÖSEL (Neue Westfälische vom 26.02.2016)
Platzenge herrschte am Dienstag auf der Anklagebank des Warburger Jugendschöffengerichts.
Fünf jugendliche Angeklagte, betreut von jeweils einem Pflichtverteidiger, drängten sich auf den Plätzen.
Die Anklage lautete auf gemeinsam begangenem schweren Raubes, begangen Anfang Mai vergangenen Jahres.
Die Jugendlichen im Alter zwischen fünfzehn und zweiundzwanzig Jahren folgten einer verhängnisvollen Idee des Ältesten unter ihnen, der Geldschulden von einem Bekannten mit ihrer Hilfe eintreiben wollte.
Dazu begaben sich die Fünf am Tattag zur Tageschaustunde zum Wohnung des Schuldners nach Herlinghausen.
Bewaffnet mit Hämmern und mit Gesichtsschutz vermummt zertrümmerten sie zunächst die Terrassentür und drangen in das Wohnungsinnere ein, obwohl für sie sichtbar die Seniorin des Hauses im Zimmer vor dem Fernseher saß.
Hoch erschrocken und in Todesangst flehte die 79-jährige die vermummten Eindringlinge um Gnade an.
Während einer der Täter die Seniorin, begleitet von Drohungen, aus dem Sessel schubste, mäßigte der Ältere, die alte Dame in Ruhe zu lassen.
Durch den Lärm aufmerksam geworden, erschien der 54-jährige Sohn und Hauseigentümer im Zimmer und sah sich den Eindringlichen in dieser unwirschen Situation gegenüber.
Ersten Deeskalationsversuchen des 54-Jährigen folgte alsbald ein Gerangel mit zwei oder drei der Täter – zwei andere hatten wegen der zugespitzten Lage bereits die Flucht ergriffen.
Nach einem kurzem Handgemenge traten auch diese Täter wegen der starken Gegenwehr den Rückzug an.
Ihr eigentliches Ziel, Geld vom Enkelsohn einzutreiben war mit fatalen Folgen völlig gescheitert.
Infolge der Tritte und Schläge seitens der Täter mit einem harten Gegenstand trug der 54-Jährige mehrere Platzwunden am Kopf und Körperprellungen davon.
Während die Verletzungen verheilt sind, wirkt die Tat auf die Opfer bis heute noch nach.
Ein vollzogener Wohnungswechsel soll das Vergessen an den Abend erleichtern.
Die Seniorin denkt heute noch an die schrecklichen Minuten des Überfalls.
Und trotzdem ihr starker Auftritt im Zeugenstand, als sie forderte, das Gesicht des Täters zu sehen, der sie maskiert massiv bedroht hatte und dem sie anschließend im Gerichtsaal mit den Worten begegnete:
„Ich verzeihe dir“.
Dies hatte auch zuvor bereits der Sohn getan, der sich in einem Appell an die Fünf gewandt hatte und daran erinnerte, dass sie das Leben noch vor sich hätten und diese Tat als einmaliger Ausrutscher mit den Folgen ihnen eine Lehre sein solle.
Diese Geste der beiden Geschädigten löste bei allen Anwesenden im Saal des Warburger Amtsgerichts höchsten Respekt und Anerkennung aus.
Auch der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Florian Becker, richtete einen eindringlichen Appell an die Angeklagten und erinnerte an die seelischen Nachwirkungen bei den Opfern.
In der Urteilsbegründung folgte die vorsitzende Richterin Insa Menke im Wesentlichen den Forderungen von Staatsanwältin Kira Weber und verhängte folgende Haftstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden:
Angeklagter S. (22 ) ein Jahr und acht Monate plus Kosten der Nebenklage;
Angeklagter T. (18 ) zwei Jahre plus 150 Sozialstunden;
Angeklagter S. (15 ) ein Jahr und acht Monate plus 120 Sozialstunden;
Angeklagter H. (17 ) sechs Monate plus 100 Sozialstunden;
Angeklagter S. (18 ) sechs Monate. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre.
Vier der Angeklagten ließen durch ihre Rechtsvertreter verkünden, dass sie die Urteile annehmen, die damit Rechtkraft erlangten.