Flüchtlingszahlen steigen dramatisch

Flüchtlingszahlen steigen dramatisch
Flüchtlingswelle: In der ehemaligen Bördekaserne ist ein weiteres Gebäude bezugsfertig. Bis zum Ende der
Woche wird es voll belegt sein. Nun nimmt die Stadt ihre Turnhallen in den Blick
Bericht der NW VON DIETER SCHOLZ vom 04.11.2015

Warburg.
Die Vorlage der gestrigen Ratssitzung führte noch 360 Asylbewerber im Warburger Stadtgebiet auf. Mit dieser Zahl wollten Bürgermeister und Verwaltungsspitze die Ratsmitglieder über die aktuelle Situation in Kenntnis setzen. Doch die Entwicklung überrollte die Verwaltung. „Aktuell sind es 463 Personen“, sagte Beigeordneter Klaus Braun. Allein in den vergangenen beiden Tagen seien der Stadt 86 Flüchtlinge zugewiesen worden. Dadurch spitze sich die Lage zu. Innerhalb einer Woche, so Bürgermeister Michael Stickeln, seien die Kapazitäten an Wohnraum erschöpft. Deswegen sollen die Turnhallen als Übergangslösung zur Unterbringung von Flüchtlingen überprüft werden, kündigten Braun und Stickeln an. Es fehlten die Alternativen.

Und das, obwohl das Gebäude 8 der ehemaligen Bördekaserne in Dössel nach erfolgtem Umbau seit Montag für rund 100 Flüchtlinge zur Verfügung steht. Sechs Monate lang war das Haus saniert und umgebaut worden. In nur wenigen Tagen sind die dort neu geschaffenen Unterbringungsmöglichkeiten erschöpft. „Nur noch fünf freie Plätze werden es am Ende der Woche sein“, rechnete der Erste Beigeordnete vor.

„Der Stadt sollte“, so Stickeln, „momentan drei Wochen lang rund 30 Flüchtlinge wöchentlich zugewiesen werden“. Die steigenden Flüchtlingszahlen stellten für die Verwaltung personell und organisatorisch eine immense Herausforderung dar. „Wir arbeiten hinter dem Limit“, sagte Stickeln.

Die Flüchtlinge sind überwiegend in den städtischen Unterkünften in Dössel, im Haus Maria am Heinberg, aber auch in Liegenschaften in Hardehausen, Rimbeck, Scherfede, Welda und der Kernstadt untergebracht. Aktuell wird die ehemalige Grundschule in Bonenburg für die Unterbringung von weiteren Flüchtlingen umgebaut. „In Herlinghausen und Ossendorf wurden Privathäuser angemietet, die belegt wurden“, so Stickeln.

Dass jetzt auch eine Unterbringung in Sporthallen kein Tabu mehr ist, verdeutlicht die angespannte Lage. „Da kommen Menschen zu uns, da darf es keine Denkverbote geben“, betonte Stickeln. In anderen NRW-Kommunen bereits Gang und Gäbe, wird Warburg die erste Stadt im Kreis Höxter sein, die Turnhallen zur Aufnahme von Flüchtlingen zur Verfügung stellt. Wohnraum, der relativ schnell geschaffen werden kann. Ab Mittwoch werde man „akribisch überprüfen, welche Sportstätten im Stadtgebiet in Frage kommen könnten“, kündigte Klaus Braun an.

„Eine Übergangslösung für einen gewissen Zeitraum“, so Willi Vonde, Vorsitzender der christdemokratischen Ratsfraktion. Auch er sieht keine Alternativen. Seine Befürchtung: Die „Qualität der Begegnung mit den Flüchtlingen wird sich ändern, Ressentiments werden aufgebaut, wenn Sporthallen zur Unterbringung genutzt werden“. Vonde kritisierte Kirchen, die „in Warburg große Häuser unterhalten“, sich aber nicht engagierten. Es könne in der aktuellen Lage nicht sein, das solche Gebäude leer stünden.

Alle Fraktionssprecher betonten ihren Dank an die vielen Ehrenamtlichen in der Stadt, die sich um die Flüchtlingsarbeit kümmerten. „Auch wir werden unser Bestes tun, wissen aber nicht, was morgen passiert“, brachte es Bürgermeister Stickeln für sich auf den Punkt.

„Wir reden hier über Menschen. Niemand flieht ohne Not aus seiner Heimat“, sagte SPD-Ratsherr Christoph Dolle und erntete dafür zustimmenden Applaus aus den Reihen aller Fraktionen. Eine Turnhallen-Belegung sei „ein schwieriger Schritt, doch immerhin besser, als im Winter in Zelten zu übernachten“, bekräftigte Grünen-Ratsfrau Doris Hauck. Wegen der weiter steigenden Flüchtlingszahlen ist die Stadt weiter auf der Suche nach geeigneten Mietobjekten. „Diese werden zu ortsüblichen Mietkonditionen angemietet, überteuerte Mieten werden nicht gezahlt“, hielt der Bürgermeister fest. Auch sei man in Gesprächen mit dem Ziel, eine weitere größere Einrichtung für die Unterbringung zu schaffen. Doch dafür werde bei dem Ansturm, der derzeit bewältigt werden müsse, mehr Zeit benötigt.

Etwas entspannter blickt Stickeln auf die finanzielle Lage. In der Bürgermeisterkonferenz am Nachmittag seien „auf massiven Druck der kommunalen Spitzenverbände“ Gelder angekündigt worden. Rund 1,3 Millionen Euro für die Warburger Haushaltskasse. Damit verringerte sich die Ausgabenseite im Bereich der Flüchtlingshilfe Stand Mitte Oktober auf rund 900.000 Euro, so Stickeln.